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Yun Wang & Mario Dalpra - Gegensätze Miteinander
MARIO DALPRA *1960 in Feldkirch
Globetrotter zwischen Kulturen, Stilen und Techniken
Als Maler (er studierte bei Arnulf Rainer in Wien), Bildhauer, Zeichner, Musiker, Film- und Performancekünstler stellt er seine vielseitige Begabung permanent unter Beweis, kann auf unzählige Ausstellungen in Europa, den USA, Lateinamerika, Australien und Asien verweisen und eine nicht weniger ansehnliche Reihe von Katalogen und Publikationen, die den weit gespannten Aktionsradius des risikofreudigen, vitalen Kunstglobetrotters rund um die Welt belegen:
Der 1960 in Feldkirch geborene, seit Jahrzehnten in Wien lebende Vorarlberger schöpft aus dem Vollen. Bei allem Kalkül, das dazu gehört, ist Kunst für Mario Dalpra Lustgewinn, eine stets neu herausfordernde sinnliche Angelegenheit, deren universell genutzter handwerklicher Anteil nicht unterschätzt werden sollte. Was gelingt, verschafft Genugtuung und regt ebenso wie mancher Ausrutscher oder Fehltritt dazu an, Ungewohntes zu wagen und dank eigenen Tuns so manches Sandkorn auf dieser Welt neu zu entdecken.
Was vom modernen Betrachter erwartet wird, nämlich Offenheit und Neugierde, bringt der an Veränderung und Experiment interessierte, ebenso vitale wie sensible Künstler ausreichend mit. Das damit verbundene Risiko bejahend hat er von Beginn an die Tragfähigkeit einer multikulturell übergreifenden, zusammenführenden Auffassung und Lebenseinstellung Schritt für Schritt erprobt. Sie macht heute Dalpras künstlerische Identität aus.
Statt die Hände in den Schoß zu legen und auf Geniestreiche zu warten, arbeitet Mario Dalpra viel und ausdauernd. Dass er dies gerne tut, liegt in seinem Naturell, in seinem Verständnis von Handwerk, und ist ganz sicher kein Nachteil. Seine künstlerischen Ausritte, Erprobungen und nachhaltigen Exerzitien haben sich auf diese Art und Weise zu einem widerstandsfähigen Arsenal einander ergänzender, schlüssiger bildnerischer Umsetzungen summiert.
Deutlich verspürt man die Lust an der Arbeit, das Ausloten noch nicht abgeklärten Terrains und die intensive Beschäftigung mit Werkgruppen, an denen freilich nur so lange drangeblieben und gefeilt wird, solange deren künstlerische Herausforderungen nicht Gefahr laufen, in Routine und Perfektion zu erstarren.
In der Kunst und der Welt standfest und gleichermaßen gut bewandert, kann Mario Dalpra heute auf ein großes, breit gefächertes Oeuvre verweisen, das innerhalb der klassischen Disziplinen von der Skizze und kleinen Zeichnung über die Malerei aller Größenordnungen bis hin zur Skulptur und ihren das Gesamtwerk prägenden Schwerpunkten neuen Datums reicht.
Groß sind thematische Spannweite und inhaltliche Ansätze des Künstlers. Sie stützen sich im vielseitig genutzten Werkprozess auf ein stets mit der nötigen Lockerheit und viel Abwechslung in Anspruch genommenes Kompendium handwerklicher Fähigkeiten, Techniken und kompositionsbestimmender formaler Einfälle.
Humor und Ironie sind gut gestreut und nur selten auf Anhieb auszuschöpfen. Ohne sie würde vor allem den neuen Skulpturen Mario Dalpras jene formale und inhaltliche Doppelbödigkeit fehlen, die sie in ihrem anziehenden Stilmix auszeichnet. Als Bronzen in Indonesien gegossen, bemalt und mit hochgradiger Perfektion geschliffen und poliert, spiegelt sich in ihnen eine ganz und gar heutige, vom Zeitgeist mitgetragene Symbiose aus Pop Art, geglättetem Neoexpressionismus, minimalistisch genutzter Klassik (Arp, Hepworth, Gironcoli), Jeff Koons, moderner Emblematik, Internetstilistik und den japanischen „Pokemons“, jenen kleinen bunten Sammelfiguren für Kinder, in denen man über den eigentlichen Verwendungszweck hinaus auch eine höchst gelungene Parodie auf den modernen Kunstmarkt und manche seiner speziellen Produkte erblicken kann.
Die bei Dalpra vorgetäuschte oberflächliche Schönheit grellbunten Plastikmaterials im modischen Outfit korrespondiert unter verblüffender Raumnutzung seiner Boden- und Sockelplastiken mit dem kulturellen Hintergrund ihres durch lange Aufenthalte in Australien, Indonesien und Indien entscheidend mitgeprägten Autors. (Text: Peter Baum)
YUN WANG *1982 in China
Gedanken zur Malerei von Yun Wang
Die Inspirationen zu den Ölgemälden von Yun Wang sind äußerst vielfältiger und oft auch spannungsreicher Natur. Die Künstlerin bezieht sie aus eigenen Träumen, der zeitgenössischen Kultur, aber auch aus ihrer Herkunft, der alten chinesischen Philosophie und der Tuschmalerei.
Der Malprozess gestaltet sich als ein langsames Finden und Tasten. Er steht damit im Gegensatz zur Praxis, ein Bildkonzepten detail festzulegen und anschließend auf die Leinwand zu übertragen und dort umzusetzen. Die Entwicklung eines Bildes verläuft bei Wang hingegen stufenweise, wobei das Ende oft nicht absehbar ist und Übermalungen häufig dazwischentreten. Ist der Malprozess (vorläufig) abgeschlossen, entsprechen die Bilder zumeist nicht mehr den ursprünglichen Entwürfen, die Wang gedanklich skizziert hatte. Die Künstlerin öffnet sich beim Malen plötzlichen Eingebungen, was zu schwer absehbaren formalen und farblichen Ergebnissen führt.
Aus dieser Vorgehensweise resultiert ein schichtförmiger Aufbau der Bilder aus mehreren dünnen Farbaufträgen, wodurch die anfänglich aufgetragenen Farben immer undeutlicher werden. Die Assoziation dieser Schichten mit einem transparenten Stoff oder einem Schleier liegt hier nahe, dessen geheimnisvolle Wirkung in der Undeutlichkeit liegt, die er hervorzurufen vermag. Der Effekt dieser schleierhaften Malschichten ist eine bestimmte Tiefe der Bilder, die nichts mit einem perspektivischen Durchblick zu tun hat, sondern mit einem visuellen Abtasten des semitransparenten Bildkörpers.
Motivisch sind die Bildwelten von Yun Wang meist stark von surrealen Momenten geprägt. Oft fühlt man sich in alptraumhafte Szenen versetzt, in denen manifest gewordene Trauminhalte indirekt auf die Fabrikationen des Unbewussten verweisen. Die grellen und expressiven Farben, die sich den Betrachtenden mitunter fast aufdrängen, tragen zu diesem Eindruck zusätzlich bei. Die Kombination kontrastierender Farbtöne, wie etwa von Rot und Grün, führt zu Spannungen im Gefüge der Bilder, die sich auf die Betrachtenden fortsetzen. Wangs Bildwelten wollen nicht bloß realistisch gesehen werden, sondern sind voller Rätsel, Symbole und Metaphern, gefüllt mit bildhaften Ausdrücken verborgener Bedeutungen, die zu ihrer Entschlüsselung Ansätze liefern. Gerade die realistischen Elemente stellen in ihrer Kombination aber den fruchtbaren Boden für die surreale Saat dar, die merkwürdige Blüten treibt – die Realität bildet derart die Grundlage ihrer eigenen Überschreitung.
Das Motiv des Wassers spielt in Wangs Ölgemälden eine zentrale Rolle. Oft nimmt es dabei surreale, traumartige Qualitäten an, etwa wenn ein Zimmer gezeigt wird, das voll von Wasser ist, in dem Menschen schwimmen. Die besondere, flüssige Beschaffenheit des Wassers und seine vielfältigen Effekte werden von Wang in ihren Bildern voll ausgespielt. So deutet sie nicht nur Spiegelungen auf seiner Oberfläche an, sondern ein Zerfließen der Figuren selbst, die mit dem Wasser in Berührung kommen und darin eintauchen. Das Motiv des Wassers mit seinen Spiegelungen, seinem gravitätischen Fluss nach unten, seinen Effekten des Zerfließens legt gleichzeitig auch die Farbmaterialien offen, aus denen es selbst, aus denen das gesamte Bild gemacht ist. Wasser/Flüssigkeit tritt zur gleichen Zeit sowohl motivisch-gegenständlich, als auch strukturell auf – als Bildgegenstand und dessen tragender Grund, der selbst in Bewegung ist. Mit dem Element des Wassers verbunden ist das Motiv des Bootes, das ebenfalls wiederholt in Wangs Bildern auftritt. Manchmal vermischen sich wolkenähnliche Kürzel mit den Farbschlieren des Wassers, wodurch die Trennung der Elemente aufgehoben wird – ob man eine Welle oder eine Wolke betrachtet, ist dann schwer zu entscheiden. Oft fügt Wang der viskosen Ölfarbe soviel Terpentin zu, dass sie Flüssigkeiten wie Wasser nicht mehr nur imitiert, sondern selbst flüssig wird, was zu Momenten gesteuerten Zufalls in Form von Rinnspuren führt.
Bezüge auf die chinesische Tradition der Tuschmalerei finden sich in Wangs Werken sowohl in technischer als auch in motivischer Hinsicht. Wird die Ölfarbe stark mit Terpentin verdünnt, so nähert sie sich der Konsistenz der Tusche an. Motivisch und kompositorisch sind wiederholt Anspielungen auf die Bildwelten der chinesischen Landschaftsmalerei zu entdecken, etwa wenn sich ein dürrer, knorriger Baum im Vordergrund zeigt oder Felsen den Rand des Bildes rahmen. Auch das Motiv des Flusses, der sich durch das Bild zieht, ist als beliebtes Motiv zur Tuschmalerei zu zählen. Die Maler des alten China schilderten Landschaft oft mithilfe eines hohen Grades von farblicher und formaler Reduktion – Wang hat diese Art mitunter übernommen und deutet einige ihrer Motive nur durch Kürzel an. Als Unterschied zur Tuschmalerei wäre auf die starke farbliche Fülle und Expressivität hinzuweisen, die Wangs Bilder überzieht – im Medium der Tuschmalerei scheinen hingegen leer gelassene Stellen des Blattes neben der schwarzen Farbe eine zentrale Rolle zu spielen.
Was ebenfalls auf die chinesische Kultur verweist, ist die Vielzahl von Tieren (besonders Vögel), die in Wangs Gemälden immer wieder auftauchen und die jeweils eine besondere Bedeutung tragen. So können etwa Raben wahrnehmen, was Menschen nicht sehen können, während der Kranich wiederum für ein langes Leben stehen kann.
Nach Vorstellung der alten chinesischen Philosophie teilen Menschen mit der sie umgebenden Welt eine tiefe Verbindung, verschmelzen und werden eins mit ihr. Wangs Gemälde scheinen diese Beziehung zu illustrieren, etwa wenn Figuren zerfließen und in ihre Umgebung auslaufen, sich mit ihr vermischen (dem gegenüber steht jedoch die emotionale Isolation vieler ihrer Figuren). Von einem Werk der chinesischen Tuschmalerei wird gefordert, dass es Qi besitzen soll, was soviel wie (Eigen)Leben oder Energie bedeutet. Die Malerei von Yun Wang hat Teil an dieser Lebensenergie, konfrontiert die Betrachtenden damit und lässt sie auf diese überspringen. (Text: Gabriel Hubmann)
Globetrotter zwischen Kulturen, Stilen und Techniken
Als Maler (er studierte bei Arnulf Rainer in Wien), Bildhauer, Zeichner, Musiker, Film- und Performancekünstler stellt er seine vielseitige Begabung permanent unter Beweis, kann auf unzählige Ausstellungen in Europa, den USA, Lateinamerika, Australien und Asien verweisen und eine nicht weniger ansehnliche Reihe von Katalogen und Publikationen, die den weit gespannten Aktionsradius des risikofreudigen, vitalen Kunstglobetrotters rund um die Welt belegen:
Der 1960 in Feldkirch geborene, seit Jahrzehnten in Wien lebende Vorarlberger schöpft aus dem Vollen. Bei allem Kalkül, das dazu gehört, ist Kunst für Mario Dalpra Lustgewinn, eine stets neu herausfordernde sinnliche Angelegenheit, deren universell genutzter handwerklicher Anteil nicht unterschätzt werden sollte. Was gelingt, verschafft Genugtuung und regt ebenso wie mancher Ausrutscher oder Fehltritt dazu an, Ungewohntes zu wagen und dank eigenen Tuns so manches Sandkorn auf dieser Welt neu zu entdecken.
Was vom modernen Betrachter erwartet wird, nämlich Offenheit und Neugierde, bringt der an Veränderung und Experiment interessierte, ebenso vitale wie sensible Künstler ausreichend mit. Das damit verbundene Risiko bejahend hat er von Beginn an die Tragfähigkeit einer multikulturell übergreifenden, zusammenführenden Auffassung und Lebenseinstellung Schritt für Schritt erprobt. Sie macht heute Dalpras künstlerische Identität aus.
Statt die Hände in den Schoß zu legen und auf Geniestreiche zu warten, arbeitet Mario Dalpra viel und ausdauernd. Dass er dies gerne tut, liegt in seinem Naturell, in seinem Verständnis von Handwerk, und ist ganz sicher kein Nachteil. Seine künstlerischen Ausritte, Erprobungen und nachhaltigen Exerzitien haben sich auf diese Art und Weise zu einem widerstandsfähigen Arsenal einander ergänzender, schlüssiger bildnerischer Umsetzungen summiert.
Deutlich verspürt man die Lust an der Arbeit, das Ausloten noch nicht abgeklärten Terrains und die intensive Beschäftigung mit Werkgruppen, an denen freilich nur so lange drangeblieben und gefeilt wird, solange deren künstlerische Herausforderungen nicht Gefahr laufen, in Routine und Perfektion zu erstarren.
In der Kunst und der Welt standfest und gleichermaßen gut bewandert, kann Mario Dalpra heute auf ein großes, breit gefächertes Oeuvre verweisen, das innerhalb der klassischen Disziplinen von der Skizze und kleinen Zeichnung über die Malerei aller Größenordnungen bis hin zur Skulptur und ihren das Gesamtwerk prägenden Schwerpunkten neuen Datums reicht.
Groß sind thematische Spannweite und inhaltliche Ansätze des Künstlers. Sie stützen sich im vielseitig genutzten Werkprozess auf ein stets mit der nötigen Lockerheit und viel Abwechslung in Anspruch genommenes Kompendium handwerklicher Fähigkeiten, Techniken und kompositionsbestimmender formaler Einfälle.
Humor und Ironie sind gut gestreut und nur selten auf Anhieb auszuschöpfen. Ohne sie würde vor allem den neuen Skulpturen Mario Dalpras jene formale und inhaltliche Doppelbödigkeit fehlen, die sie in ihrem anziehenden Stilmix auszeichnet. Als Bronzen in Indonesien gegossen, bemalt und mit hochgradiger Perfektion geschliffen und poliert, spiegelt sich in ihnen eine ganz und gar heutige, vom Zeitgeist mitgetragene Symbiose aus Pop Art, geglättetem Neoexpressionismus, minimalistisch genutzter Klassik (Arp, Hepworth, Gironcoli), Jeff Koons, moderner Emblematik, Internetstilistik und den japanischen „Pokemons“, jenen kleinen bunten Sammelfiguren für Kinder, in denen man über den eigentlichen Verwendungszweck hinaus auch eine höchst gelungene Parodie auf den modernen Kunstmarkt und manche seiner speziellen Produkte erblicken kann.
Die bei Dalpra vorgetäuschte oberflächliche Schönheit grellbunten Plastikmaterials im modischen Outfit korrespondiert unter verblüffender Raumnutzung seiner Boden- und Sockelplastiken mit dem kulturellen Hintergrund ihres durch lange Aufenthalte in Australien, Indonesien und Indien entscheidend mitgeprägten Autors. (Text: Peter Baum)
YUN WANG *1982 in China
Gedanken zur Malerei von Yun Wang
Die Inspirationen zu den Ölgemälden von Yun Wang sind äußerst vielfältiger und oft auch spannungsreicher Natur. Die Künstlerin bezieht sie aus eigenen Träumen, der zeitgenössischen Kultur, aber auch aus ihrer Herkunft, der alten chinesischen Philosophie und der Tuschmalerei.
Der Malprozess gestaltet sich als ein langsames Finden und Tasten. Er steht damit im Gegensatz zur Praxis, ein Bildkonzepten detail festzulegen und anschließend auf die Leinwand zu übertragen und dort umzusetzen. Die Entwicklung eines Bildes verläuft bei Wang hingegen stufenweise, wobei das Ende oft nicht absehbar ist und Übermalungen häufig dazwischentreten. Ist der Malprozess (vorläufig) abgeschlossen, entsprechen die Bilder zumeist nicht mehr den ursprünglichen Entwürfen, die Wang gedanklich skizziert hatte. Die Künstlerin öffnet sich beim Malen plötzlichen Eingebungen, was zu schwer absehbaren formalen und farblichen Ergebnissen führt.
Aus dieser Vorgehensweise resultiert ein schichtförmiger Aufbau der Bilder aus mehreren dünnen Farbaufträgen, wodurch die anfänglich aufgetragenen Farben immer undeutlicher werden. Die Assoziation dieser Schichten mit einem transparenten Stoff oder einem Schleier liegt hier nahe, dessen geheimnisvolle Wirkung in der Undeutlichkeit liegt, die er hervorzurufen vermag. Der Effekt dieser schleierhaften Malschichten ist eine bestimmte Tiefe der Bilder, die nichts mit einem perspektivischen Durchblick zu tun hat, sondern mit einem visuellen Abtasten des semitransparenten Bildkörpers.
Motivisch sind die Bildwelten von Yun Wang meist stark von surrealen Momenten geprägt. Oft fühlt man sich in alptraumhafte Szenen versetzt, in denen manifest gewordene Trauminhalte indirekt auf die Fabrikationen des Unbewussten verweisen. Die grellen und expressiven Farben, die sich den Betrachtenden mitunter fast aufdrängen, tragen zu diesem Eindruck zusätzlich bei. Die Kombination kontrastierender Farbtöne, wie etwa von Rot und Grün, führt zu Spannungen im Gefüge der Bilder, die sich auf die Betrachtenden fortsetzen. Wangs Bildwelten wollen nicht bloß realistisch gesehen werden, sondern sind voller Rätsel, Symbole und Metaphern, gefüllt mit bildhaften Ausdrücken verborgener Bedeutungen, die zu ihrer Entschlüsselung Ansätze liefern. Gerade die realistischen Elemente stellen in ihrer Kombination aber den fruchtbaren Boden für die surreale Saat dar, die merkwürdige Blüten treibt – die Realität bildet derart die Grundlage ihrer eigenen Überschreitung.
Das Motiv des Wassers spielt in Wangs Ölgemälden eine zentrale Rolle. Oft nimmt es dabei surreale, traumartige Qualitäten an, etwa wenn ein Zimmer gezeigt wird, das voll von Wasser ist, in dem Menschen schwimmen. Die besondere, flüssige Beschaffenheit des Wassers und seine vielfältigen Effekte werden von Wang in ihren Bildern voll ausgespielt. So deutet sie nicht nur Spiegelungen auf seiner Oberfläche an, sondern ein Zerfließen der Figuren selbst, die mit dem Wasser in Berührung kommen und darin eintauchen. Das Motiv des Wassers mit seinen Spiegelungen, seinem gravitätischen Fluss nach unten, seinen Effekten des Zerfließens legt gleichzeitig auch die Farbmaterialien offen, aus denen es selbst, aus denen das gesamte Bild gemacht ist. Wasser/Flüssigkeit tritt zur gleichen Zeit sowohl motivisch-gegenständlich, als auch strukturell auf – als Bildgegenstand und dessen tragender Grund, der selbst in Bewegung ist. Mit dem Element des Wassers verbunden ist das Motiv des Bootes, das ebenfalls wiederholt in Wangs Bildern auftritt. Manchmal vermischen sich wolkenähnliche Kürzel mit den Farbschlieren des Wassers, wodurch die Trennung der Elemente aufgehoben wird – ob man eine Welle oder eine Wolke betrachtet, ist dann schwer zu entscheiden. Oft fügt Wang der viskosen Ölfarbe soviel Terpentin zu, dass sie Flüssigkeiten wie Wasser nicht mehr nur imitiert, sondern selbst flüssig wird, was zu Momenten gesteuerten Zufalls in Form von Rinnspuren führt.
Bezüge auf die chinesische Tradition der Tuschmalerei finden sich in Wangs Werken sowohl in technischer als auch in motivischer Hinsicht. Wird die Ölfarbe stark mit Terpentin verdünnt, so nähert sie sich der Konsistenz der Tusche an. Motivisch und kompositorisch sind wiederholt Anspielungen auf die Bildwelten der chinesischen Landschaftsmalerei zu entdecken, etwa wenn sich ein dürrer, knorriger Baum im Vordergrund zeigt oder Felsen den Rand des Bildes rahmen. Auch das Motiv des Flusses, der sich durch das Bild zieht, ist als beliebtes Motiv zur Tuschmalerei zu zählen. Die Maler des alten China schilderten Landschaft oft mithilfe eines hohen Grades von farblicher und formaler Reduktion – Wang hat diese Art mitunter übernommen und deutet einige ihrer Motive nur durch Kürzel an. Als Unterschied zur Tuschmalerei wäre auf die starke farbliche Fülle und Expressivität hinzuweisen, die Wangs Bilder überzieht – im Medium der Tuschmalerei scheinen hingegen leer gelassene Stellen des Blattes neben der schwarzen Farbe eine zentrale Rolle zu spielen.
Was ebenfalls auf die chinesische Kultur verweist, ist die Vielzahl von Tieren (besonders Vögel), die in Wangs Gemälden immer wieder auftauchen und die jeweils eine besondere Bedeutung tragen. So können etwa Raben wahrnehmen, was Menschen nicht sehen können, während der Kranich wiederum für ein langes Leben stehen kann.
Nach Vorstellung der alten chinesischen Philosophie teilen Menschen mit der sie umgebenden Welt eine tiefe Verbindung, verschmelzen und werden eins mit ihr. Wangs Gemälde scheinen diese Beziehung zu illustrieren, etwa wenn Figuren zerfließen und in ihre Umgebung auslaufen, sich mit ihr vermischen (dem gegenüber steht jedoch die emotionale Isolation vieler ihrer Figuren). Von einem Werk der chinesischen Tuschmalerei wird gefordert, dass es Qi besitzen soll, was soviel wie (Eigen)Leben oder Energie bedeutet. Die Malerei von Yun Wang hat Teil an dieser Lebensenergie, konfrontiert die Betrachtenden damit und lässt sie auf diese überspringen. (Text: Gabriel Hubmann)
Termine
Vernissage 22. September 2023, 18:00 Uhr
23. - 30. September 2023, Mi - Fr 13:00 - 19:00 Uhr, Sa 10:00 - 13:00 Uhr
4. - 21. Oktober 2023, Mi - Fr 13:00 - 19:00 Uhr, Sa 10:00 - 13:00 Uhr
Weitere Informationen
Die Künstler sind anwesend. Zur Ausstellung spricht Prof. Carl Aigner, Kunstwissenschaftler.
(c) Foto: Yun Wang, Mario Dalpra
(c) Foto: Yun Wang, Mario Dalpra
Veranstaltungsort/Treffpunkt