Sihem Bensedrine

Tunesische Journalistin, Autorin, Herausgeberin, Frauen- und Menschenrechtsaktivistin

2008 Gast des Internationalen Hauses der Autorinnen und Autoren Graz im Rahmen des Projektes „Graz-Stadt der Zuflucht“ und „Graz-Stadt der Menschenrechte“

Sihem Bensedrine wurde am 28. Oktober 1950 in La Marsa (Tunis) geboren. Sie ist verheiratet mit Omar Mestiri und Mutter von drei Kindern. Sie studierte in Frankreich (Toulouse) Philosophie.

Schon während ihrer Studienzeit in Frankreich engagierte sich Sihem Bensedrine für die Einhaltung der Frauen- und Menschenrechte und zeigte deren Missachtung in Tunesien auf und führte diese Arbeit dann als Journalistin für zahlreiche unabhängige Medien weiter. Keine leichte Aufgabe, denn kritische Stimmen wurden damals durch Verbote seitens der Regierung mundtot gemacht. Einen Hoffnungsschimmer gab es 1987, als Zine El Abidine Ben Ali durch einen unblutigen Putsch an die Macht gelangte. Doch gleich nach seinem Amtsantritt als Staatspräsident schaffte Ben Ali die Pressefreiheit ab und die Regierung begann, islamistische Fundamentalisten im Land zu bekämpfen. Seit dem 11. September 2001 hat die Vorgangsweise von Ben Ali auch die Zustimmung europäischer Länder und daher werden keinerlei Maßnahmen seitens der EU auch nach Bekanntwerden massiver Missachtungen der Menschenrechte gesetzt.

Sihem Bensedrine ist Gründerin und Chefredakteurin der in Tunesien verbotenen Online-Zeitung „Kalima“ („Wort“), zuerst als Printmedium geplant, doch von der Regierung wurde die Druckgenehmigung nicht erteilt. Die Zeitung erscheint nun seit 1999 online (in Tunesien weiterhin verboten) und weist immer wieder auf die Menschenrechtsverletzungen in Tunesien hin, berichtet von der politischen Unterdrückung und den alltäglichen Schikanen durch die Polizei.
Weiters ist Sihem Bensedrine Gründungsmitglied und Sprecherin des „Nationalen Rates für Freiheiten“ in Tunesien, und Generalsekretärin der „Beobachter zur Verteidigung der Pressefreiheit.

… „Tunesien ist ein Polizeistaat in dem es sechs mal mehr offizielle Polizisten gibt als in Frankreich, ganz zu schweigen von der allgegenwärtigen Geheimpolizei. Man kann Tunesien mit der ehemaligen DDR vergleichen. Die Menschen haben Angst, sie werden systematisch zerstört, indem man sie unterdrückt und erpresst. Ich selbst wurde mehrfach inhaftiert, mir wurde mein Reisepass für 6 Jahre abgenommen, meine Familie bedroht. So verlor mein Mann seine Arbeit, Haustiere meiner Kinder wurden getötet, der Umgang mit uns wurde unseren Freunden untersagt. Meinem Mann wurde ein Prozess gemacht, der dann aufgrund der Tatsache, dass alle Vorwürfe, die mein Mann gegen eine Persönlichkeit erhoben hatte, belegt werden konnten, abgebrochen wurde - auf Antrag des Klägers.
Mit internationalen Medien verfährt man so: Wenn z.B. Le Monde einen kritischen Artikel über Tunesien bringt, wird die komplette Auflage am Flughafen abgefangen und zurück geschickt…“

Hier in Graz führt Sihem Bensedrine ihre Internet-Zeitung weiter. Einen Film mit Gesprächen über tunesische Folteropfer hat sie eben fertig gestellt. Für internationale Zeitschriften und Zeitungen verfasst sie immer wieder Artikel zu Themen wie Menschenrechtsverletzungen, Flüchtlingsproblematik, die EU und den Umgang mit Despoten…

Im Rahmen des Stipendiums in Graz wird ein Buch von ihr entstehen, in dem sie sich mit der Problematik von Jugendlichen im Umgang mit Extremismus auseinandersetzt.

Sihem Bensedrine hat schon mehrmals in Graz und Feldbach gelesen und unter anderem maßgeblich an der Ausstellung „Correction of the Images“, die im Rahmen der regionale08 in Feldbach gezeigt wurde, mitgearbeitet.

Sihem Bensedrine ist mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Zuletzt 2008 mit dem Dänischen Friedenspreis der vor ihr an Anna Politkowskaja vergeben wurde.

Frau Bensedrine spricht Arabisch, Französisch und Englisch. Leider kein Deutsch.

Für Lesungen, Diskussionen und Gespräche steht Sihem Bensedrine gerne zu Ihrer Verfügung. Kontakt: 0043-(0)316/872-4931 oder office@ihag.org